Klimaneutral durch den Borkenkäfer – Interview mit Sven Bernhard von der Westerwald-Brauerei
Die letzten Jahre haben in deutlicher Weise gezeigt, dass der Klimawandel voran schreitet. Die Auswirkungen sind nicht nur in den Alpen oder in der fernen Arktis zu sehen. Die Dürre in Frankreich oder ein immer noch nicht ganz gefüllter Gardasee zeigen: Klimaschutz ist das Gebot der Stunde. Ein Unternehmen, welches sich hier seiner Verantwortung stellt, ist die Westerwald-Brauerei aus dem rheinland-pfälzischen Hachenburg. Wir haben uns mit Sven Bernhard unterhalten:
Herr Bernhard, Bier und Klimaschutz sind zwei Begriffe, die selten miteinander in Verbindung gebracht werden. Welche Gründe gab es, sich mit den Treibhausgas-Emissionen der Brauerei zu befassen und was waren die wichtigsten Erkenntnisse?
Ein starker Auslöser für uns in der Westerwald-Brauerei war das Waldsterben in unserer Heimat, verursacht durch die Borkenkäfer-Plage. Hier wurde der gesamten Bevölkerung im Westerwald wirklich bildlich klar gemacht, dass der Planet leidet und es so nicht mehr weitergehen kann.
Wir haben bereits im Jahr 2018 das Ziel formuliert, 2030 komplett CO2-neutral ohne Kompensation zu produzieren. Nachdem durch Covid 19 sowie die Borkenkäfer-Plage diese Thematik nochmals verstärkt in den Fokus gerückt und auch von der Politik vorangetrieben wurde, haben wir uns schon 2020 dazu entschlossen, eine Klimabilanz aufzustellen und somit aktiv unsere CO2-Emissionen zu erfassen.
Unsere wichtigste Erkenntnis hierbei war, dass sich viele Unternehmen auf Kleinigkeiten konzentriert haben, anstatt auf die wirklichen Treiber und Verursacher von CO2. Transporte und Dienstleistungen machen in unserer Brauerei nur einen kleinen Teil aus, da wir in der Produktion durch unsere Rohstoffe und den Energieeinsatz den höchsten Ressourceneinsatz haben. Durch die transparente Erfassung konnten wir so sehr gut sehen, wo die meisten Emissionen anfangen und auch dort bereits gute Erfolge durch Investitionen und weitere Maßnahmen erzielen.
Auf Ihrer Homepage sieht man eine Grafik. Diese zeigt, wie die Brauerei den Ausstoß von CO2-Emissionen über die Jahre hinweg gesenkt hat. Welche Maßnahmen haben Sie hier ergriffen, um dieses Ergebnis zu erreichen?
Wir haben seit 2016 stark in unsere eigene Energieversorgung investiert. So entstand hier unser neues Maschinenhaus, in dem wir einen neuen Dampfkessel sowie eine neue Kälteanlage errichtet haben. Weiterhin haben wir ein neues Sudhaus gebaut, welches erheblich effizienter arbeitet als die ehemaligen Anlagen. Zudem haben wir unseren kompletten internen Stapler-Fuhrpark von Gas auf Strom umgestellt. Auch fast alle Firmenfahrzeuge im Außendienst laufen voll elektrisch, aktuell haben wir nur noch 2 Hybrid-Fahrzeuge zusätzlich im Einsatz, welche auch bald wegfallen werden. Im Jahr 2022 haben wir unsere gesamte Wertstoffproduktion im Unternehmen unter die Lupe genommen und können nun stolz berichten, dass wir nahezu 100% aller unserer Abfälle recyceln. Dies geschieht durch die strikte Trennung aller Wertstoffarten.
Aktuell sind wir dabei, eine Photovoltaik-Anlage zu installieren, um künftig unseren eigenen Strom zu produzieren. Auch planen wir seit ein paar Monaten eine CO2-Rückgewinnungsanlage für die gesamte Brauerei und haben in eine Abwasser-Rückgewinnungsanlage investiert, wobei aus unserem Abwasser Biogas gewonnen werden kann.
"In Wahrheit haben wir jedoch in der Kommunikation stark gemerkt, dass das Thema Klimaneutralität hier noch kaum eine Rolle gespielt hat. Es ist nach wie vor erklärungsbedürftig und es gibt keinen genauen Standard, nach dem der Verbraucher sich richten kann."
Sven Bernhard
Das Thema Klimaneutralität stellt in Ihrer Kommunikation eine wichtige Komponente dar. Wie reagieren Kundinnen und Kunden, aber auch Ihre Mitarbeitenden auf das Thema?
Wenn Kundinnen und Kunden aktiv darauf angesprochen werden, ist es für alle ein sehr wichtiger Punkt, der immer weiter in den Fokus rückt. In Wahrheit haben wir jedoch in der Kommunikation stark gemerkt, dass das Thema Klimaneutralität hier noch kaum eine Rolle gespielt hat. Es ist nach wie vor erklärungsbedürftig und es gibt keinen genauen Standard, nach dem der Verbraucher sich richten kann.
Bei den Mitarbeitenden ist das Thema hingegen auf sehr offene Ohren gestoßen und alle arbeiten aktiv daran mit, unseren CO2-Fußabdruck erheblich zu senken. Vielen ist es hier wichtig, dass das Unternehmen sich dahingehend engagiert und sich auch in der Öffentlichkeit für den Klimaschutz einsetzt.
Klimaschutz ist ein Thema. Um ein Unternehmen nachhaltig aufzustellen, bedarf es auch noch weiterer Maßnahmen. Gibt es Bestrebungen, andere Themen anzugehen?
Wir haben im Jahr 2020 erstmals eine Gemeinwohlbilanz aufgestellt und uns damit verpflichtet, allen unseren gesellschaftlichen Anspruchsgruppen wie Lieferanten, Kunden, Eigentümern sowie Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit gleichermaßen gerecht zu werden. Dies bedeutet für uns, dass wir das Ziel haben, dass es allen gleich gut geht und wir eine gewisse Balance zwischen allem anstreben. Neben dem Klimaschutz bedeutet das selbstverständlich auch, das Unternehmen auf wirtschaftlich stabile Füße zu stellen, um so auch nachfolgende Generationen in unserer Brauerei beschäftigen zu können. Weiterhin vernachlässigen wir auch nicht die soziale Komponente und fördern aktiv das Vereinsleben im Westerwald. Insgesamt ist uns eine Balance zwischen allen Anspruchsgruppen sehr wichtig und wir thematisieren dies auch regelmäßig in unseren jährlichen Zielvorgaben.