Klimastrategien für Kommunen

Brunella Seidl
vor 1 Jahr5 min. Lesezeit

In Berlin wurde Ende März via Volksentscheid darüber abgestimmt, ob das Ziel der städtischen Klimaneutralität bis 2045 auf das Jahr 2030 geändert wird. Leider konnte keine Mehrheit erreicht werden. Aus diesem gegebenen Anlass beschreiben wir in diesem Beitrag, was es bedeutet, großflächiger zu denken und dabei in jedem Fall das Einbetten einer Klimastrategie in Kreise, Gemeinden und Städte in Betracht zu ziehen.

Klimaschutz vs. Klimaanpassung

Die Klimastrategie teilt sich in den Klimaschutz sowie die -anpassung an die bereits unvermeidbaren Folgen des Klimawandels. Beide Verfahren ergänzen sich zu dem, was im Rahmen unserer Möglichkeiten liegt.
Die Klimaanpassung bezieht sich beispielsweise auf unseren Umgang mit dem „Urban Heat Island Effect“, der in städtischen Ballungsräumen im Zuge von Hitzewellen in den Sommermonaten sowohl auf ökologischer, demographischer als auch sozioökonomischer Ebene verheerende Probleme mit sich bringen kann. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, jedoch tragen die wesentliche Schuld die Bodenversiegelung, dichte Bebauung, ein hohes Verkehrsaufkommen, und die Verdrängung von Grünflächen und Gewässern. Im Sinne der Klimaadaption kann daher zum Beispiel die Vorkehrung der Entsiegelung und Begrünung ergriffen werden.
Der Klimaschutz hingegen besteht aus den Maßnahmen zur Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels und zur Reduktion von THG Emissionen. Zur Einhaltung des Pariser Abkommens und der Klimaschutzziele der Regierung müssen Konzepte auf lokaler Ebene umgesetzt werden. Zudem sind Städte und Siedlungen für 70% der CO2-Emissionen verantwortlich. Der kommunale Klimaschutz ist demnach elementar.

 

"Eine CO2-Bilanz dient im ersten Schritt der Ermittlung des Ist-Zustandes und ist ein absolutes Muss, auf dessen Grundlage Handlungsfelder sowie Emissionsreduktionspotentiale identifiziert und konkrete Ziele gesetzt werden können."

Steven Reich

Doch wie geht man am besten vor?

Am Anfang einer jeden Klimaschutzstrategie steht die Bestandsaufnahme, in der ermittelt wird, wie viele Tonnen CO2-Äquivalente durch die Ortschaft oder Stadt in einem bestimmten Jahr, dem sog. Basisjahr, verursacht wurden. Eine CO2-Bilanz dient im ersten Schritt der Ermittlung des Ist-Zustandes und ist ein absolutes Muss, auf dessen Grundlage Handlungsfelder sowie Emissionsreduktionspotentiale identifiziert und konkrete Ziele gesetzt werden können. Ist ein Vorhaben skizziert, muss dieses auf Umsetzbarkeit, Kosten, Kompatiblität und Effektivität sowie auf mögliche Risiken evaluiert werden. Dabei sind die Maßnahmen mit dem größten Effekt, der höchsten Umsetzbarkeit, dem geringsten politischen Widerstand, dem höchsten Cost-Benefit sowie den wenigsten negativen Folgen zu bevorzugen. Leider kann hier nicht immer die optimale Lösung gefunden werden und häufig zeigt sich die Politik als unflexibel.
Ferner sollte die CO2-Bilanz am besten jährlich wiederholt werden und bildet sowohl die Datengrundlage als auch den zentralen Kontrollmechanismus. Jedoch ist ein Drei-Jahres-Zyklus auch mehr als üblich (siehe BISKO-Standard). Tendeziell gilt es, sich entweder relative oder/und absolute sowie Zwischenziele zu setzen. Ein absolutes wäre z.B. Klimaneutralität bis 2045, hingegen ein relatives Ziel wäre 80% weniger Emissionen bis 2045.

Was wird in der CO2-Bilanz berechnet?

Die Bezeichnung der CO2-Bilanz ist häufig irreführend, da natürlich alle relevanten Treibhausgase in die Berechnung inkludiert werden. Darunter fallen  z.B. auch Methan (CH4)., Lachgas (N20) sowie Fluorkohlenwasserstoffe (FKW). Zusammengefasst werden die verschiedenen Emissionsmengen dann unter der Einheit CO2-Äquivalente, wobei die ausgestoßene Menge eines jeden Gases mit dessen Global Warming Potential multipliziert wird.

Welcher Standard wird für die Bilanzierung verwendet?

Hinsichtlich der Berechnung von CO2-Äquivalenten für Kommunen verlangen beide gängigen Standards (Bilanzierungs-Systematik Kommunal, kurz BISKO & Global Protocol for Community-Scale Greenhouse Gas Inventories, kurz GPC) eine endenergiebasierte Territorialbilanz und laufen demzufolge nach dem Verursacherprinzip. Das bedeutet, dass alle Emissionen, die durch Aktivitäten innerhalb der administrativen Grenzen der Kommune verursacht werden, zu bilanzieren sind ⎼ auch wenn die Emissionen außerhalb der administrativen Grenzen entstehen. Dabei wird das GPC des GHG-Protocols als weltweit unangefochtener Bilanzierungsstandard erachtet. Große europäische Städte wie London, Amsterdam, Madrid, aber auch kleinere Städte nutzten in der Vergangenheit das GPC.
Grundsätzlich kann man sagen, dass die Bilanz nach GPC umfangreicher, aber auch komplexer ist, öfter aktualisiert wird und mehr unterstützende Materialien liefert.

"Desto größer die Einwohnerzahl, oder desto wichtiger die Industrie, Forst- oder Landwirtschaft, umso sinnvoller wird es, den extra Aufwand in die Hand zu nehmen und nach GPC zu bilanzieren."

Steven Reich

Und was sagt Zukunftswerk?

Steven Reich, Nachhaltigkeitsberater und CO2-Bilanzierungs-Experte bei Zukunftswerk, empfiehlt:
„Desto größer die Einwohnerzahl, oder desto wichtiger die Industrie, Forst- oder Landwirtschaft, umso sinnvoller wird es, den extra Aufwand in die Hand zu nehmen und nach GPC zu bilanzieren. Für kleine Gemeinden mit weniger Ressourcen kann die Bilanzierung nach BISKO aber schon genügend Arbeitsaufwand schaffen. Vielleicht muss man sich auch gar nicht entscheiden, da das GPC alles beinhaltet, was man für die BISKO braucht. Die minimalen methodischen Unterschiede, können zudem leicht angepasst werden. Es wäre demnach möglich, nach beiden Standards zu bilanzieren und so die klaren Vorteile des BISKO bei der Datenerhebung mit den klaren Vorteilen des GPC in der Erkenntnisrelevanz zu vereinen.“

Es wird ja gesagt, dass der*die Einzelne bereits viel gegen das sich verändernde Klima unternehmen kann und die Auswirkung nachhaltigen Handels des Individuums schon hilfreich ist. Das stimmt eben nur zum Teil, befinden wir uns doch in Form unserer Wohnorte und Lebensräume in Ballungszentren: Hier gilt es auch als Gemeinschaft zu agieren und an einem Strang zu ziehen. Eine kommunale Klimastrategie ist daher mehr als sinnvoll, um sich gemeinschaftlich mit den Themen Klimaschutz sowie -anpassung auseinander zu setzen und den Lebensraum aller unter vielfältigen Aspekten nachhaltiger zu gestalten.